Minimalismus im Unternehmen

Das „Haben“ hat das „Sein“ schon vor längerem als Lebensinhalt abgelöst – auch im Unternehmen. Nach und nach zeigt sich jedoch bei vielen Menschen eine Leere und Unzufriedenheit. Die Einträge auf der gedanklichen ToDo Liste: Karriere, Haus, Familie – sind abgehakt: Dennoch bleibt das Glück aus. So kommen einige zurück zum Sein. Im Privaten geht der Trend hin zu weniger statt mehr und Minimalismus ist ein aktuelles Schlagwort, das teilweise bis zum kompletten Umkrempeln des eigenen Lebensentwurfs führt.

Den Anfang kann man mit Marie Kondo machen und sein Zuhause aufräumen. Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus machen als The Minimalists vor, was es heißt, das gesamte Lebenskonzept zu ändern.

Und wie sieht es in Firmen aus? Hierzulande bemühen sich viele vereinzelte Berater mit unterschiedlichen Ansätzen in Unternehmen aufzuräumen. Sie wollen das Führungsbild erneuern und unser aller Haltung zur Arbeit ändern. Im Weitesten Sinne läuft das unter dem Begriff Arbeit 4.0 oder auch New Work. In Zeiten des Fachkräftemangels wollen sich viele nach außen hin schick und modern präsentieren. Sie malen die Wände ihrer Büros bunt an und stellen ihren Mitarbeitern Stehtische und einen Tischkicker zur Verfügung. Alle Kraft geht ins Polieren der Oberfläche, doch die Strukturen bleiben die alten.

Bewerber und Mitarbeiter jedoch suchen nach wirklicher Veränderung. Sie haben ein steigendes Bedürfnis nach Sinn und Glück in allen Bereichen ihres Lebens. Sie haben vieles ausprobiert, haben Erfahrungen gesammelt und fangen im Persönlichen an, sich bewusst zu werden, wofür sie stehen und was sie wollen. Manch einer entscheidet sich ganz bewusst für höher, schneller, weiter. Viele gehen jedoch auch den anderen Weg des bewussten Verzichts. Verzicht auf mehr Geld um im Gegenzug mehr Zeit zu haben. Verzicht auf die Beförderung um stattdessen die geliebten Themen weiter bearbeiten zu können. Verzicht auf ein Auto um die Umwelt nicht noch mehr zu belasten.

Die wirtschaftlichen Wachstumsbestrebungen vieler Unternehmen allein um des Wachsens willen, erfüllen dieses Bedürfnis nach einem tieferen Sinn nicht. Blutleere Ansagen wie „Nächstes Jahr machen wir 20% mehr Umsatz“ ohne eine Idee davon, womit man diese machen will, frustrieren sie. Dabei ist bei genauem Hinsehen bereits eine schwarze Null eine unternehmerische Glanzleistung. Bedeutet diese doch, dass alle Kosten gedeckt sind: sämtliche Gehälter, die Miete, eventuelle Kredite, Investitionen für Neuanschaffungen, die laufenden Kosten etc. Leider führt die anhaltende Sinnlosigkeit des immer weiter, immer höher, immer schneller eher dazu, dass die Mitarbeiter entweder innerlich kündigen oder sie kündigen ganz, was wiederum das Fachkräfteproblem verschärft.

Was hat das mit Aufräumen und Minimalismus zu tun?
Meiner Meinung nach ist weniger in allen Bereichen mehr, um sich wieder zu besinnen. Ich glaube, es ist notwendig, regelmäßig das Unternehmens-eigene Warum zu hinterfragen und verständliche, tragfähige Antworten zur inhaltlichen Strategie zu finden. Und im zweiten Schritt sollten überholte Abläufe bewusst zurückgebaut werden. Fredmund Malik nutzte in seinem Buch „Führen, Leisten, Leben“ den wunderbaren Begriff der „systematischen Müllabfuhr“. Alle wollen etwas Neues, doch auch das Alte muss aufgeräumt werden.

Die Vielzahl der Dinge, Informationen und Erwartungshaltungen, die uns umgeben oder täglich auf uns einströmen, vernebeln unseren Geist. Wir tun in allen Lebensbereichen gut daran, Überflüssiges und Unnötiges zu erkennen und bewusst zu entsorgen.

Wo steht bei all dem die arbeitende Frau auf ihrem Lebensweg? Ist sie auf der Suche nach Sinn und Glück, nach der Erfüllung materieller Wünsche, einer erfolgreichen Karriere, Macht und Einfluss oder etwas von allem zusammen? Fühlt sie sich selbstgesteuert oder wird sie von außen angetrieben? Folgt sie ihren eigenen Idealen oder denen anderer (teilweise ohne zu wissen, woher diese wiederum ihre Ideale haben)? Der erste Schritt kann sein, sich und seine Lebens- und Arbeitsweise zu hinterfragen. Und wer dann noch Reserven hat, kann im zweiten Schritt die Ärmel hochkrempeln und entrümpeln.

Photo by Sarah Dorweiler on Unsplash