Weibliche Rollenvorbilder

Ich stelle meinen Klientinnen (und manchmal auch interessierten Männern) gern folgende Frage:
An was für eine Person denkst du bei dem Wort „Führungskraft“?

Bisher haben alle spontan einen Mann vor Augen gehabt. Durchsetzungsfähig, entscheidungsstark, sachlich. Ein klassisches Rollenvorbild, vor allem in den von Männern dominierten MINT Bereichen. Dort trifft man auch im Jahre 2019 Frauen in Führungspositionen nur in der Unterzahl an.

Da ist es ganz natürlich, dass diese wenigen Frauen lediglich männliche Rollenvorbilder haben, von denen sie sich im Alltag bzgl. Führung etwas abschauen und lernen können. Es passiert automatisch und oft unbewusst, dass sie sich in allen Facetten an ihren männlichen Kollegen orientieren. Sie beginnen, ihr Erscheinungsbild, ihr Verhalten, ja sogar ihre Stimmlage anzupassen.

Mit der Zeit „verkleiden“ sie sich morgens als Männer. Lieber Hosen statt Rock, gegebenenfalls ein Kostüm, jedoch keinesfalls zu feminin, zu viel Farbe oder gar verspielte Muster. Das Motto lautet „nicht zu sehr auffallen“. Doch das Verkleiden geht weiter. In ihrem Wesen unterdrücken sie ihre weibliche Seite in der vermeintlichen Hoffnung, dann im Kreise der Männer mehr Akzeptanz zu finden. Klappt das bei dir? Ich habe eher die Erfahrung gemacht, dass die Frauen dennoch subtil außen vor gelassen werden.

Einige Frauen erkennen nach einer Weile, dass sie es gern anders machen wollen als ihre männlichen Kollegen. Sie wollen authentisch bleiben und dennoch Karriere machen. Leider kommt ihnen oft die Angst, etwas falsch zu machen, ins Gehege. Anstatt unbefangen ihren eigenen Führungsstil zu entdecken,  suchen sie weiter nach Orientierung und Lösungen im Außen.

Bestens geeignet scheinen da wissenschaftlich belegte Ergebnisse der gängigen Führungstheorie. Studien, die zeigen wie Führung vermeintlich richtig geht, sollen sicherstellen, dass Frau sich korrekt verhält und alles richtig macht. Hierbei sehe ich jedoch einen logischen Fehler. Viele der Studien und Persönlichkeitsanalysen sowie deren Rückschlüsse basieren auf einer analysierten Masse größtenteils männlicher Führungskräfte. Die  Ergebnisse manifestieren daher oft männliche Führungsstile. Wendet Frau diese unreflektiert an, zieht sie sich morgens erneut den männlichen Rollenanzug an.

Wir Frauen machen uns das Leben aber auch so was von selber schwer.

Dabei haben wir einen riesen Vorteil, den wir gerne übersehen. Wir haben nämlich alle gemeinsam – Mann wie Frau – kaum eine Vorstellung von einem weiblichen Rollenvorbild in Führungspositionen. Dieser Umstand bietet uns Frauen geradezu einen gigantischen Gestaltungsspielraum. Im Unterschied zu unseren männlichen Kollegen, die jede Menge Rollenvorgaben zu erfüllen haben, können wir Frauen uns unsere Vision von weiblichen Führungskräften vollkommen frei gestalten. Sparen wir uns die Anstrengungen, uns anzupassen und bessere Männer werden zu wollen. Denn wenn sich etwas verändern soll, bringt es nichts, noch mehr vom Gleichen zu tun. Nur das Andere ermöglicht Neues. Daher lasst uns stattdessen lieber Frauen bleiben und unsere Energie darin setzen, uns als solche zu zeigen, mit allen Ecken und Kanten, Emotionen und Stärken, die uns innewohnen.

Die Kombination beider Führungsqualitäten – der weiblichen und männlichen – macht das Blickfeld größer, deckt blinde Flecken auf, bevor sie zum Problem werden und bringt so auch wirtschaftlich neue Potenziale hervor. Ein erstrebenswertes Ziel, denn gerade in unserer Zeit, in der Mitarbeiter auch als Menschen und nicht nur Ressourcen gesehen werden wollen, machen Frauen einen MÄCHTigen Unterschied.

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